Heimatverein Egestorf e.V.

Kriegsende 1945 in Egestorf (Teil 2)
Wie ging das Leben in den Dörfern unserer Gemeinde weiter?


In den Kriegsjahren mussten die Bewohner unserer Dörfer auf vieles verzichten, alle Festlichkeiten - wie zum Beispiel der Kram- und Viehmarkt und das beliebte Waldfest des Kriegervereins  - fanden nicht statt. Bereits im Herbst 1945 ging es wieder bergauf, die Mitglieder des Männerturnvereins (MTV) versammelten sich im Oktober  im  Gasthaus Soltau, es bildeten sich spontan drei Turnerriegen. Vereinsvorsitzender war weiterhin Friedrich Schlüschen, der 1948 auch das Amt des Bürgermeisters übernahm. Im August 1946 veranstaltete der MTV bereits ein großes Sportfest auf dem Sportplatz am Bahnhof. Viele Fotos dokumentieren, dass zahlreiche Dorfbewohner dabei waren. Ebenso feierte die Gemeinde im September 1946 das erste Erntefest nach dem Krieg, an dem viele geschmückte Festwagen durch das Dorf fuhren. Die jungen Mädchen beteiligten sich mit einem extra für diesen Anlass eingeübten Bändertanz. Mit dabei waren bereits Vertriebene aus den Ostgebieten, das zeigt, dass sie sich schnell dem Dorfleben anpassten und sich hier auch wohlfühlten. Beliebt waren auch die Tanzveranstaltungen der Feste, die in der Kriegszeit ebenfalls verboten waren. 1947 nahm der Verschönerungsverein seine Aktivitäten wieder auf und wurde in Heimatverein umbenannt, 1954 entstand hieraus der Verkehrsverein. Nachfolger des Kriegervereins wurde 1950 der Schützenverein, das erste Schützenfest im „Häg“ (an der heutigen Autobahnauffahrt) fand im August statt.


Der Schulunterricht in den Dörfern unserer Gemeinde fand ab Herbst 1945 wieder regelmäßig statt, aber durch die vielen zugezogenen Flüchtlingskinder waren die Klassen überfüllt. Das bedeutete für die Lehrkräfte eine große Herausforderung, zumal auch die Militärregierung für den Unterricht Auflagen erteilte, die alle Lehrer akzeptieren mussten. Die Anweisung - hier für Berta Schlumbom in der Egestorfer Schule - beinhaltete strenge Vorschriften:
1. Sie werden persönlich für die Einhaltung der folgenden Anweisungen in Ihrer Klasse verantwortlich gemacht.
2. Sie dürfen in Ihrem Unterricht - gleichviel, mit was für einem Gegenstand Sie sich zu befassen beabsichtigen - nichts einführen, was
a) den Militarismus verherrlicht,
b) die Lehren des Nationalsozialismus zu verbreiten, wiederzubeleben oder zu rechtfertigen, oder die Leistungen nationalsozialistischer Führer zu preisen sucht,
c) eine Politik der unterschiedlichen Behandlung auf Grund von Rasse oder Religion begünstigt,
d) den Beziehungen zwischen irgendwelchen Vereinigten Nationen feindlich oder sie zu stören sucht,
e) Kriegführung oder Mobilisation oder Kriegsvorbereitung erläutert, sei es auf dem Gebiet der Wissenschaft, der Wirtschaft oder der Industrie, - oder das Studium der Militärgeographie fördert.
3. Ohne Genehmigung der Militärregierung dürfen in Ihrer Klasse keine Schulbücher, Bücher, Bilder, Tabellen, Landkarten, Schlagwörter, Symbole, Diagramme, Anschläge oder andere unterrichtliche Hilfsmittel gebraucht werden. Desgleichen sind Rundfunksendungen, Vorträge, Ausstellungen oder Theateraufführungen, die in Ihrer Klasse geboten werden oder Ihrer Schülergruppe zugänglich gemacht werden sollen, ohne Genehmigung der Militärregierung nicht zulässig.
4. Der Unterricht in den Leibesübungen darf sich nicht erstrecken auf oder verweilen bei Übungen, die einer militärähnlichen Ausbildung gleichkommen.
5. Sie dürfen unter Ihren Schülern keine unterschiedliche Behandlung auf Grund der Rassenzugehörigkeit oder religiöser oder politischer Überzeugungen dulden.
6. Wenn Lehr- oder Stundenpläne für Ihre Klasse genehmigt worden sind, dürfen Sie keine Abänderungen ohne Einwilligung der Militärregierung treffen.

 

Ich bescheinige, daß ich die obigen Anweisungen in vollem Umfange verstehe und daß ich Kenntnis habe von den Strafen, die ich mir durch Vernachlässigung oder Nichtbefolgung dieser Anweisungen zuziehen würde.
1. April 1946     Schlumbom, Berta  (Unterschrift)
                       Lehrerin (Lehramtsanwärterin)
2. April 1946     Bezeugt durch Agnes von Hafe (Unterschrift)
                       Hausfrau
Obwohl sich das Leben langsam wieder normalisierte, herrschte in den Dörfern weiterhin in vielen Bereichen große Not.

 

Berichte aus den Schulchroniken Evendorf und Sahrendorf /Schätzendorf

 

Evendorf 1947   

Nach den Osterferien wurde die Schule zweiklassig. Aber in Bezug auf Lehr- und Lernmittel muß auch weiterhin improvisiert werden. Die Schülerzahl ist vorübergehend auf 74 gesunken, davon sind Einheimische 22 Knaben und 24 Mädchen, Flüchtlinge 8 Knaben und 15 Mädchen, Evakuierte 7 Knaben und 5 Mädchen. Ein Kind gehört der kath. Konfession an, und drei Kinder stammen aus Familien, die an keine Religionsgemeinschaft gebunden sind. Der Ernährungszustand vieler Kinder ist weiterhin schlecht, obgleich die meisten Flüchtlingsfamilien Unterstützung bei der ansässigen Bevölkerung finden. Die Schulspeisung wird daher unvermindert durchgeführt. Im Mai werden alle Kinder amtsärztlich untersucht, da nun mit amerikanischen Spenden die Hoover-Schulspeisung durchgeführt werden soll. Bei 40 Kindern stellt der Arzt die Voraussetzung fest, die eine Teilnahme an der Speisung erfordern.


Zum zweiten Male wird ein Sommerfest in der Schule gefeiert. Es ist als Höhepunkt der Jahresarbeit gedacht und wird die Schule einmal für einen Tag in den Mittelpunkt des Dorflebens stellen, so daß Wechselwirkungen einmal echtes Leben in die Schulstube fließen lassen und andererseits in der Gemeinde ein Interesse für die Schularbeit wachrufen. Wenn der äußere Schein nicht trügen würde, war der Erfolg groß. Aber leider wird der Sinn des Festes mißverstanden. Man meint auch, die Schule beteiligt sich an der Flut von Belustigungen, die das gesellige Leben der Nachkriegszeit kennzeichnet, eben um den Kindern, die doch in den vergangenen Jahren so vieles entbehren mußten, nun einen, wenn auch schwachen, Ersatz zu bieten. Der Versuch, die auseinanderstrebenden Kräfte der Elternschaft wenigstens für die gemeinsame Aufgabe der Erziehung zusammenzufassen, scheitert an der Oberflächlichkeit unseres Zeitgeistes, der bis auf die Dörfer hin ausstrahlt.


Sahrendorf /Schätzendorf 1946

Der März brachte zum Abschluß heiße Tage, und plötzlich war der Frühling da. Das nasse Frühjahr wurde durch lange Trockenheit abgelöst, so daß besonders die Hackfrüchte litten. Die letzten Tage des Juli brachten endlich Regen. Die Ernte ist geborgen, die Kornernte war besser als zuerst angenommen, aber das Stroh ist sehr knapp gewesen, so daß das alte Heidehauen wieder wie in der Urväterzeit zu Ehren kam. Die Kartoffeln litten unter Regenmangel und die Ernte war danach, viele kleine und faulige Kartoffeln, eine Ernte, die die Not nicht mildert. Viele Milchkühe wurden aus der Gemeinde abgeliefert. Nach zuerst mildem Wetter bis Weihnachten brach gleich nach dem Fest eine heftige Kälte herein. Eisiger Ostwind macht den Boden trocken, viele Dorfbewohner sind durch den Wechsel von mild auf naß-kalt erkrankt. Sehr unangenehm ist das Fehlen des elektrischen Stromes.


Der Garlstorfer Wald, seit Jahrhunderten all seinen Dörfern der Wald, ist sehr, sehr licht geworden. Durch den Mangel an Kohle und den Zustrom von Flüchtlingen war er diese Jahre die Heizquelle. Neuerdings sind nun ganze Jagen dem Untergang geweiht, man schlägt sie kahl ab. Dieser Raubbau am Wald wird für Klima, Bodenverhältnisse, Landwirtschaft usw. ernste Folgen haben.


Mai und Juni brachten heißeste Sommertage, die Erde lechzt nach Regen. Alle Wasserleitungen sind schwer beschädigt, besonders in Sahrendorf, so daß wir bis Juni kein Wasser in der Schule haben. Trotz der großen Dürre war die Ernte genügend, wenn auch besonders Kartoffeln und Rüben litten. Der Spätsommer und Herbst brachten Regen und gleich nachher Frost. Die Heide blühte in diesem Jahr nicht, ein sehr schlechtes Honigjahr. Der Oktober und November waren nasse Monate. Die Regenstation zeigte hohen Niederschlag. Der Dezember brachte den ersten starken Frost.


1948. Mild blieb der Winter, in der heutigen Notzeit ein Geschenk; denn das Brennmaterial ist knapp wie Kleidung und Schuhwerk. Der März gab seine Sommertage, und der April ließ grünen und wachsen wie wir es selten erlebten. Die Saat auf den Feldern verspricht gute Ernte, und alle Birken grünen auf Flur und Heid.


Ist das ein Mai! Die Luft ist voll Duft, alles drängt zum Licht. Und noch eins wurde endlich im wunderschönen Mai. Die Sahrendorfer Wasserleitung, an der auch die Schule angeschlossen ist, wird neu verlegt. Große, nagelneue Rohre, über 1.000 m liegen statt 0,75 m nun 1,50 m in der Erde, sicher vor dem Frost. Oft Monate waren wir ohne Wasser, flickten und gruben an der Leitung, das war ein Zustand, wir schleppten jeden Tag, die Schule ohne Wasser. Mit welchen Schwierigkeiten diese Erneuerung verbunden war, davon wird man sich in späteren, hoffentlich besseren Jahrzehnten, kein Bild machen können. In Gemeinschaftsarbeit ist endlich zum Wohle aller unser klares, gutes Wasser wieder da für Mensch und Tier.

 

EDV-gestützter Abruf von Inventar- und Archivgut 

 

Die Bestände der Gemeinde Egestorf und des Heimatvereins wurden in einer umfangreichen Datenbank erfasst.


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