Heimatverein Egestorf e.V.

Bundespräsident Karl Carstens - Heidewanderung nach Egestorf


Dieser Bericht erinnert an eine ganz besondere Begebenheit: Am 17. September 1983 besuchte der damalige Bundespräsident Karl Carstens mit seiner Ehefrau Veronika auf einer seiner Wandertouren durch die Bundesrepublik unser Dorf. Viele Bürger wollten es nicht versäumen, ihn zu sehen, zu begrüßen und ihm zuzuhören. Die Dorfmitte war voll von Besuchern als Karl Carstens gemeinsam mit zahlreichen Mitwanderern und Prominenten - unter anderem dabei der damalige niedersächsische Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Gerhard Glup, der Vorsitzende des VNP Dr. Alfred Toepfer mit Geschäftsführer Dr. Eberhard Jüttner, der Egestorfer Bürgermeister Walter Kruse und sein Stellvertreter Fritz Meyer - über Sudermühlen und den Hauskoppelweg in das Dorf wanderte. Sein Weg führte zunächst auf den Kirchhof der St. Stephanus-Kirche, hier wurde der Bundespräsident von Landrat Otto Gellersen und Samtgemeinde-Bürgermeister Franz Röhrs begrüßt.

Karl Carstens hielt anschließend seine Begrüßungsrede mit folgendem Wortlaut (leider fehlt der Anfang, da das Band nicht rechtzeitig eingeschaltet wurde!):

„ …. meine Frau und ich machen diese Wanderungen aus drei Gründen. Einmal glauben wir, dass es gut für unsere Gesundheit ist, meine Frau ist ja Ärztin und versteht was davon. Zum Zweiten finden wir, dass es eine einzigartige Gelegenheit ist, unser deutsches Vaterland kennenzulernen, die Landschaften und die herrlichen alten Bauten, die Kirchen, die Bürgerhäuser. Das nimmt man ja alles nur richtig in sich auf, wenn man zu Fuß dahin geht und nicht eben bloß mit dem Wagen durchfährt. Und der dritte Grund, und das ist vielleicht fast der wichtigste, ist, dass diese Wanderungen mir eine einzigartige Gelegenheit geben zu Gesprächen mit Hunderten und Tausenden von Bürgern, mit denen ich sonst nie zusammengekommen wäre. Bevor sie mir alle einen Besuch in der Villa Hammerschmidt machen könnten, würde ein langer bürokratischer Papierkrieg zurückzulegen sein, sodass viele dieser netten, freundlichen Vorhaben auf der Strecke bleiben würden. Ich erfahre so viel über das was die Bürger denken, und darüber bin ich ganz besonders glücklich. Ich möchte Herrn Minister Glup sehr herzlich danken, dass er das in Gang gebracht hat. Alles Gute für Sie, alles Gute für die Lüneburger Heide! Alles Gute für Ihre wunderschöne alte Gemeinde Egestorf und auf Wiedersehen.“

Danach ging die Gruppe in die Kirche hinein, und Karl Carstens wurde von Pastor Wolfgang Dietze in Empfang genommen. Hier trug er sich in das Egestorfer „Hölzerne Buch“ ein, das extra für diesen Anlass neu angeschafft wurde und auch heute noch bei besonderen Gästen der Gemeinde für Einträge hervorgeholt wird.

Aber an diesem Tag passierte noch etwas Außergewöhnliches, und dies nahm Pastor Dietze zum Anlass, eine kleine Geschichte zu verfassen, die dann später von Pastor Adolf Ehlbeck ins Plattdeutsche übertragen wurde:

 

De Finstersturz vun Äsdörp


 

Noch wat, dat in Äsdörp passiert is: Ick weet nich, ob jü dat all weit, ick meen nich dann‘ Bundespräsidenten, unsen Karl dann‘ Heidewanderer, dei bi uns wähn is: Ick meen dann‘ Finstersturz vun Äsdörp as Karl Carstens bi uns wör.
Finstersturz, dat klingt uns je ganz bekannt. Manchein weit, dat dat schon mol indropen is. In dei groode Burg vun Prag is dat wäsen. Ein Kierl, de vunn‘ Kaiser kommen weu, is dor ut’n Finster schmäten worrn. Ton Glück för em is hei mit sien Läben dorvun kommen. De Geschicht vertellt, dat hei up’n Messbarg falln is. Trotzdem is dei Saak bös för all utgahn. Mit düssen Sturz vun de Prager Burg is dei Dörtichjährige Krieg anfungen.


Düsse lange Krieg ist hier ook öber de Lümborger Heid und ok öber Äsdörp wechgohn. Domols sünd dat Pastorenhuus un wertvolle Chroniken vun dat Füer upfräten worrn. Ja, dat mach manchen dörch’n Kopp gahn, wenn hei vun’n Finstersturz vertellen hört.

Nu is aber in uns Dagen jüst in dei Stund, in dei uns unse Bundespräsident beseuken dä, wedder ein Finstersturz tau vermelln.


Dat keum so: In die Äsdörper Kerk weun allerhand Lüüd tohopen: Kerkenvörstehers und annere, dei in de Kerkengemeen mitarbeiten daut. Sei teuben, datt dei Präsident mit sin groot Gefolge na de Kerk rinkommen dä.
Doch toerst sünd vör de Kerk einige Redn holn worn, vun Walter Kruse und Franz Röhrs, dei Börgermeisters, vun Minister Glup ut Hannover, vun Landrat Otto Gellersen ut Soltzhusen, vun Dr. Alfred Toepfer, uns Heidevadder und toletzt vun Karl Carstens sülms.


Dei Lüüd in de Kerk wulln jo ook mitkriegen, wat buten vör sick güng. Sei meuken de Kerkenfinster open, denn dei sünd je nich nur dortau dor, dat de Sünn vun buten rinschient. Man kann ja ook vun binnen rutkieken. Dat dän sei ook.


Un dor keum de Finstersturz! Ein Finster wull nich upgahn, lütt bät’n Nahhülp. Mit’n mal ein Krach und ein Pultern! Dat wörr’n Schreck för de Lüüd buten und binnen. Wat wör dur hindalfallen? Blots dat Kerkenfinster - ahn Kerl.


Worum schütt jü dat weten? Mit dann‘ Finstersturz in Prag , dor was ein Kierl bi verletzt, breuk de Dörtichjährige Krieg ut. Bi dann‘ Äsdörper Finstersturz is allns friedlich verlopen. So wöllt wei dat giern as ein Teiken nähm‘, dat uns ein lange Friedenstied bevörsteiht. Dortau, weil wei dat so hoffen wött, wull ick jau düsse wohre Geschicht vertelln.


Dütt weu inn‘ Johr 1983 passiert. Wolfgang Dietze (Paster vun Äsdörp)
Bie’n Plattdüütsch öbersetten hett mi Paster Adolf Ehlbeck, ook ut Äsdörp, holpen

 

Der Fenstersturz von Egestorf


Noch was, was in Egestorf passiert ist: Ich weiß nicht, ob ihr das alle wisst, ich meine nicht den Bundespräsidenten Karl Carstens, den Heidewanderer, der bei uns war. Ich meine den Fenstersturz von Egestorf, als Karl Carstens bei uns war.
Fenstersturz, das klingt uns ja ganz bekannt. Manch einer weiß, dass das schon einmal eingetroffen ist, in der Burg von Prag ist das gewesen. Ein Mann, der vom Kaiser kam, ist dort aus dem Fenster geworfen worden. Zum Glück ist er mit seinem Leben davongekommen. Die Geschichte erzählt, dass er auf einen Mistberg gefallen ist. Trotzdem ist die Sache für alle böse ausgegangen, mit diesem Sturz aus der Prager Burg hat der Dreißigjährige Krieg angefangen. Dieser lange Krieg ist hier auch über die Lüneburger Heide und über Egestorf hinweg gegangen. Damals sind das Egestorfer Pastorenhaus und wertvolle Chroniken vom Feuer vernichtet worden. Ja, ja, das mag manchen durch den Kopf gehen, wenn vom Fenstersturz erzählt wird.
Nun ist aber in unseren Tagen gerade in der Stunde, in der uns unser Bundespräsident besuchte, wieder ein Fenstersturz zu vermelden. Das kam so:
In der Egestorfer Kirche kamen allerhand Leute zusammen, Kirchenvorsteher und andere, die in der Kirchengemeinde arbeiteten. Sie warteten, dass der Präsident mit seinem großen Gefolge in die Kirche hereinkam. Doch zuerst sind vor der Kirche einige Reden gehalten worden: Von den Bürgermeistern Walter Kruse und Franz Röhrs, von Minister Glup aus Hannover, von Landrat Otto Gellersen aus Salzhausen, von Dr. Alfred Toepfer, unserem “Heidevater“, und zuletzt von Karl Carstens selbst.
Die Leute in der Kirche wollten ja auch mitkriegen, was draußen vor sich ging. Sie öffneten die Kirchenfenster, denn die sind ja nicht nur dazu da, dass die Sonne von draußen hereinscheint. Man kann ja auch von drinnen rausgucken, das machten sie auch. Und da kam der Fenstersturz! Ein Fenster wollte nicht aufgehen, kleines bisschen Nachhilfe. Mit einem Mal ein Krach und ein Poltern! Das war ein Schreck für die Leute draußen und drinnen. Was war da hinuntergefallen? Nur das Kirchenfenster - ohne Mann!
Warum sollt ihr das wissen? Mit dem Fenstersturz in Prag, dabei wurde ja ein Mann verletzt, brach der Dreißigjährige Krieg aus. Beim Egestorfer Fenstersturz ist alles friedlich verlaufen. So wollen wir das gerne als ein Zeichen nehmen, dass uns eine lange Friedenszeit bevorsteht. Darum, weil wir das so hoffen wollen, will ich euch diese wahre Geschichte erzählen.


Dies ist im Jahr 1983 passiert. Wolfgang Dietze (Pastor von Egestorf)

EDV-gestützter Abruf von Inventar- und Archivgut 

 

Die Bestände der Gemeinde Egestorf und des Heimatvereins wurden in einer umfangreichen Datenbank erfasst.


>> weiter zur Datenbank


de.wikipedia.org