Heimatverein Egestorf e.V.

Armenhäuser

 

Armenhäuser gehörten früher zum Dorf- und Stadtbild. Sie nahmen nur verarmte Bewohner aus dem eigenen Ort auf, Fremde hatten keinen Anspruch auf Wohnrecht. Seit Bestehen der politischen Gemeinden zurzeit des Amtes Salzhausen (1852-1859) war es in unserer Region Vorschrift, dass alle Dörfer ein Armenhaus für Bedürftige zur Verfügung stellen mussten. Finanziert wurden sie in der Regel durch Spenden wohlhabender Bürger, durch Zuschüsse der Gemeinde oder der Kirche. Die Versorgung wurde teilweise auch aus dem gemeinschaftlichen Gut (Allmende) beglichen.

In Egestorf gab es im 19. Jahrhundert zeitweise drei Armenhäuser. Eines davon war das alte Bauernhaus Nr. 6 in der Dorfmitte (jetzt Grundstück Ulrich Knust). Hier wohnten drei Familien. Der Hof Jobmann siedelte 1856 um und baute an der Lübberstedter Straße einen neuen Hof auf. Das alte Gebäude wurde Anfang des 20. Jahrhunderts abgetragen.

Ein weiteres Armenhaus befand sich an der Lübberstedter Straße, der sogenannte „Pinnas“. Es war das Häuslingshaus von Nr. 4, Rieckmann (alter Hofname: Stimbecken). Das Bauernhaus wurde 1857 an Peter H. C. Bahlburg verkauft, später erwarb es Bäcker Wohlgemuth. Bauer Rieckmann siedelte von der Ortsmitte in den „Orth“ um, der neue Name lautete nun „Orthhof“ (Garlstorfer Straße, jetzt Voss). Das Häuslingshaus blieb beim Hof. Die sehr einfache Unterkunft wurde „Langer Jammer“ genannt. Das Gebäude „Pinnas“ (in Aufzeichnungen „Pinnarz“) ist heute ein Mehrfamilienhaus und im Besitz der Familien Bahlburg und Soltau. Ein Teil des Hauses wurde am Anfang des 20. Jahrhunderts abgerissen, jetzt Grundstück und Haus von Alfred Lüllau.

 

 

Diese beiden Armenhäuser befanden sich nicht im Besitz der Gemeinde, es ist aber wahrscheinlich, dass sie von ihr unterhalten und die Mieten an die Eigentümer Jobmann und Rieckmann gezahlt wurden. Der Soziologe Paul Roux aus Frankreich berichtete 1906 in seiner Studie „Der Bauer in der Lüneburger Heide“ ausführlich über das Leben in Egestorf, sein Vermerk: …ferner gehören dazu dann noch die Kosten für das Armenhaus. Da es keine Armen gibt, ist das Haus an drei Familien vermietet. (Druck: Freilichtmuseum Kiekeberg, 1991).

Der Standort des gemeindeeigenen Armenhauses war auf dem Eckgrundstück Lübberstedter Straße/Ostende. Es erhielt nach der Verkoppelung im Jahr 1848 die Hausnummer 27. Es ist anzunehmen, dass es bereits vor dieser Zeit bestand. Die bedürftigen Bewohner wurden von einem Armenvogt betreut. Die Egestorfer nannten das Haus „Kaserne“.

„Es ist möglich, dass in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeitweise Soldaten in dem Gebäude wohnten. Da die königlich-hannoversche Armee keine regulären Kasernen besaß, brachte sie ihre Soldaten im Winter teilweise auf dem Lande unter. Die Bezeichnung „Kaserne“ ist in der Vergangenheit aber nicht nur für Soldatenunterkünfte verwendet worden. Vielfach wurden damit auch die Massenunterkünfte von Landarbeitern bezeichnet („Schnitterkasernen“). Wahrscheinlich handelte es sich zunächst um ein von der Gemeinde unterhaltenes Mietshaus. In der Regel mussten Bewohner, wenn sie nicht ganz mittellos waren, Miete zahlen.“ (Schriftwechsel Nils Kagel, Kiekeberg Museum, und Marlies Schwanitz, 2001)

Das Egestorfer Armenhaus hatte drei kleine Wohnungen, die Familien wohnten sehr beengt. Zu jeder Wohnung gehörte neben Stall- und Bodenräumen ein eigener „Dingen“ (Herd) auf der gemeinsamen Diele, dazu eine Dönz (Stube) und ein Butzenschlafraum. Ein Raum war zusätzlich als Quarantänestation für die früher häufig auftretenden Seuchen vorgesehen. Auf dem Grundstück befand sich für die Versorgung ein Gemüsegarten. Holz sammelten die Bewohner im Wald, ebenfalls die darin damals noch reichlich vorhandenen Beeren. Sie verbesserten ihr Einkommen im Frühjahr durch den Verkauf von sogenannten „Stubenküken“. Sie wurden meistens in der Küche oder im Wohnraum in Bänken aufgezogen.

Es kam gelegentlich vor, dass Heimatlose im Armenhaus aufgenommen wurden, man nannte sie „Elende“. Wenn nicht alle Wohnungen belegt waren, konnten auch Mieter einziehen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verbesserte sich allgemein die wirtschaftliche Lage, es gab kaum noch bedürftige Familien.
In der „Kaserne“ wohnten vor der Auflösung als Mieter:
• Familie Habermann - Frau Habermann war die „Mudder Griepsch“ (Hebamme) für Egestorf, ihr Ehemann arbeitete als Friseur und Schneider.
• Familie Harms - sie baute Ende des 19. Jahrhunderts ein Haus an der Garlstorfer Straße und konnte es nicht halten (Verkauf an die Familien H. Ehlers und H. Benecke, Frau Harms war zuvor die Erbin des „Dresslers Hus“).
• Familie Albers, August Albers war als Maurer tätig.

1927 wurde das Haus abgerissen, die Gemeinde verkaufte das Grundstück je zur Hälfte an Heinrich Witte und Wilhelm Rieckmann.

In Döhle diente nach Aufzeichnungen von Dr. Reineke ab 1854 das Armenhaus zeitweise als Schule. Der Heimatforscher Klaus Scharenberg berichtete in seiner Döhle-Chronik von 2007 jedoch: „In der Verkoppelungskarte von 1852 ist noch kein Gebäude auf dem verkauften Drittel des „Material- und Armenhausplatzes“ der Gemeinde eingezeichnet. Nach dem Rezess von 1870 war dieser Platz aber für ein Armenhaus vorgesehen. Dies war damals noch nicht vorhanden.“

In einer Zeichnung des Katasteramtes von 1876 ist ein 13 x 9 m großes Gebäude auf dem Gemeindeplatz eingezeichnet. Es ist beim Verkauf des Grundstückes an Heinrich Rieckmann aber nicht vorhanden. So ist nicht mehr nachvollziehbar, welches Gebäude in Döhle als Armenhaus diente.

EDV-gestützter Abruf von Inventar- und Archivgut 

 

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